Mittwoch, 27. Juni 2018 - 18:15
Jüdische Viehhändler in der Zwischenkriegszeit
Ökonomisches Vertrauen und antisemitische Gewalt im ländlichen Raum. Vortrag von Dr. Stefanie Fischer.
Die Nationalsozialisten stießen bei dem Versuch, Juden aus dem Viehhandel zu verdrängen, an die Grenzen ihrer rassistischen Wirtschaftspolitik. Trotz einer vehementen antisemitischen Propaganda hielten viele Bauern an ihren vertrauten Handelspartnern, den jüdischen Viehhändlern, fest.
Tatsächlich zählt der Viehhandel zu den ältesten Tätigkeitsfeldern von Juden in Mitteleuropa. In kaum einem anderen Wirtschaftsbereich erreichten Juden je einen so hohen Anteil wie im Viehhandel. Als Viehein- und -verkäufer, aber auch als Kreditgeber und Güterhändler, agierten sie an einer sehr sensiblen Stelle in der Agrargesellschaft. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten wurden jüdische Viehhändler in der antisemitischen Propaganda als »Bauernschlächter« dargestellt.
Das zuvor zwischen Händler und Bauer aufgebaute Vertrauen wurde dann auf eine harte Probe gestellt. Wie also baute sich das Vertrauensverhältnis zwischen jüdischen Viehhändlern und Bauern auf? Wie lange hielten diese wirtschaftlichen Beziehungen unter dem Einfluss antisemitischer Gewalt stand?
Diesen Fragen geht die Gastprofessorin am Fritz Bauer Institut, Dr. Stefanie Fischer, nach. Sie beleuchtet erstmals die Bedeutung der jüdischen Viehhändler für den ländlichen Raum. Als Untersuchungsregion dient die bayerische Region Mittelfranken. Dort lebte noch bis 1933 eine der größten jüdischen Gemeinden im Deutschen Reich. Gleichzeitig nahm im Gau von »Frankenführer« Julius Streicher die antisemitische Gewalt eine besondere Schärfe an.
Dr. Stefanie Fischer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Neuere Geschichte/deutsch-jüdische Geschichte der Universität Potsdam und am dort ansässigen Selma Stern Zentrum für jüdische Studien Berlin-Brandenburg. 2016 war Stefanie Fischer Visiting Research Associate und 2017 Adjunct Assistant Professor an der University of Notre Dame in Indiana/USA, 2014 war sie als Dorset Fellow an der University of Oxford, UK und als Visiting Buber Fellow an der Hebrew University, Jerusalem, Israel.