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Mittwoch, 18. Juli 2018 - 19:00

Wandlungsformen des Rassismus. Mit Adorno, Hall und Fanon zur Kritik von Critical Whiteness und Neorassismus

von Felix Riedel


Einmal in die Welt gesetzte Ungleichverhältnisse leben fort - so begründet Marx den Ursprung des Betrugs im Vertrag der freien und gleichen. Er nennt den gewaltsamen Ursprung "primitive" oder "ursprüngliche" Akkumulation. Für das Verständnis des Fortlebens rassisierter Ökonomie ist dieser Begriff von immenser Bedeutung. Der Grundsatz bürgerlicher Ideologie ist: Wer arm ist, hat selbst schuld. So provoziert historisch entstandene Ungleichheit die Suche nach der Schuld der Armen. Der historische wie der neue Rassismus der globalen Bourgeoisie findet diese Schuld in der Hautfarbe, der Herkunft, der Kultur.
Nach demselben Prinzip nötigt die Ohnmacht gegenüber der rassisierten Ökonomie den Individuen im subsaharischen Afrika autoaggressiven Rassismus auf, der sich im Verkauf von Bleichcremés und Ideologien über den Ursprung von Reichtum und Armut im "Blut" äußert.

Wie der sekundäre Antisemitismus besteht der Neorassismus nur noch als verleugneter fort. Seine verschleierten rassistischen Aggressionen werden vom kulturalistischen Antirassismus der Critical Whiteness nicht hinreichend erfasst. Dem Maoismus entlehnte Geständnisrituale und das "Reflektieren" von Privilegien dienen als Placebo für gewerkschaftliche Praxis und Klassenkampf. Das Ergebnis sind verzerrte Größenverhältnisse und Rangordnungen: Kleinere Verletzungen von Codes erscheinen als Verbrechen, während die Gewalt der komplexen Unterdrückung im Trikont insbesondere durch den Islamismus aus der theoretischen Arbeit verschwindet.
Auf der Gegenseite haben insbesondere Christoph Türcke und Clemens Nachtmann dazu beigetragen, den Rassismus wieder auf die Rassentheorie zu reduzieren und ihn als Bekenntnisrassismus fehlzudeuten. Das am Material nachweisbare Ergebnis sind Rationalisierungen des sekundären Rassismus als nationalstaatliche Vernunft und polemische Affirmationen des Neorassismus.
Die Kritische Theorie und die Arbeiten von Stuart Hall und Frantz Fanon ermöglichen hingegen eine differenzierte Anthropologie und Kritik der Projektionen und ihrer Bedingungen.

Felix Riedel ist promovierter Ethnologe und freiberuflich in der politischen Bildung tätig. Er forscht und schreibt über gewaltanthropologische Themen (Antisemitismus, Islamismus, Rassismus, Hexenjagden).

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Eine Veranstaltung aus der Reihe: "Zum Rassistischen Komplex"

04.07.2018 - Philipp Hanke: Schwarzes Kapital. Sklaverei - Kolonialismus - Rassismus.

18.07.2018 - Felix Riedel: Wandlungsformen des Rassismus. Mit Adorno, Hall und Fanon zur Kritik von Critical Whiteness und Neorassismus.

25.07.2018 - D. Schnittler: Negrophobie. Grundsätzliches zum Rassismus gegen schwarze Menschen.

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Veranstaltet vom Referat für politische Bildung im AStA der Goethe-Universität Frankfurt am Main