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Samstag, 15. November 2025 - 18:00

Objektverlust. Film in der narzisstischen
Gesellschaft

Die Gegenwart der Spätmoderne kennzeichnet ein umfassender Weltverlust: Konnte Siegfried Kracauer den Film noch als »Errettung der äußeren Wirklichkeit« mit den Mitteln des verfremdenden Apparats verstehen, sei dem Gegenwartskino sein Objekt, das Außen, ebenso verlustig gegangen wie seine eigene Geschichte.

Dem kommt der Filmtheoretiker Lars Henrik Gass durch eine Analyse des vom Feuilleton gefeierten Gegenwartskinos auf die Spur.

In Filmen etwa von Wes Anderson, Paolo Sorrentino oder Quentin Tarantino erkennt Gass eine sterile Ästhetik, die sich von der Realität abkehrt und in Selbstzitaten erschöpft: »Mittelstandskino macht keine Erfahrungen mehr, die dazu zwingen, die Welt anders zu betrachten; es spiegelt der Gesellschaft Selbstbilder, nicht das in ihr und durch sie Verdrängte.« Für den spätmodernen Mensch »ist alles Äußere zum Spiegel seines Selbst geworden« und »Film wurde die Propaganda einer Welt ohne Außen«.

Unter diesen Bedingungen erodiert der Raum des Politischen: »Statt sich in dieser Sphäre zu engagieren, zieht sich der Mensch in das innere Universum seines Erlebens zurück«, so die Sozialphilosophin Alexandra Schauer. Dieser Trend schlägt auch auf die Institutionen der Öffentlichkeit zurück: Als »soziale Praxis« kommt das Kino an sein Ende.

Lars Henrik Gass war langjähriger Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Seit 2025 ist er Gründungsdirektor des Stuttgarter Hauses für Film und Medien. Als Filmtheoretiker veröffentlichte er u.a. die Werke Film und Kunst nach dem Kino (Philo Fine Arts 2012) und Filmgeschichte als Kinogeschichte. Eine kleine Theorie des Kinos (Spector Books 2019). Jüngst erschien sein Essay Objektverlust. Film in der narzisstischen Gesellschaft (XS-Verlag 2025).

_source_ : https://asta-frankfurt.de/
_source_ : message received on 21. Oktober 17 Uhr