Samstag, 13. Oktober 2018 - 19:45
GegenBuchMasse: Lange Lesenacht
Samstag, 13. Oktober 2018 - 19:45
Lange Lesenacht
19:45 Uhr | »Ich hoffe noch, dass aller Menschen Glück nahe sein muss ...«
Fragmente eines revolutionären Lebens Briefe von und über Sarah Sonja Rabinowitz. Lesung mit Cornelia Naumann (Hg.).
Eine Frau taucht 1918 unvermittelt an der Seite Kurt Eisners in München auf und betreibt gezielte Agitation für den Generalstreik, mit dem sie den Krieg beenden, Frieden mit Russland erzwingen und Deutschland in eine Republik verwandeln will. Es ist Sarah Sonja Lerch, geb. Rabinowitz (1882-1918), die schon nach wenigen Streiktagen verhaftet und 8 Wochen später im Gefängnis Stadelheim erhängt aufgefunden wird. Aber wer war diese Frau? Eine gelangweilte Professorengattin, die den Aufstand probte?
Cornelia Naumann recherchierte und fand erstaunliche Fragmente aus dem Leben einer vergessenen Revolutionärin, die in Deutschland studierte, 1905 nach Russland zurückkehrte, 1912 heiratete und der Politik den Rücken kehrte. Der Band sammelt bisher unveröffentlichte Briefe Sonjas aus dem Gefängnis, Reaktionen ihrer politischen Freunde auf ihren Tod, u.a. Clara Zetkin, und veröffentlicht zum ersten Mal die Erinnerungen ihres Bruders Shmuel Rabinowitz, der wegen revolutionärer Tätigkeit nach Sibirien verbannt wurde.
Veranstalter*innen: P.A.C.K. & Edition AV
20:20 Uhr | Wie Flüchtlinge gemacht werden
Lesung mit Georg Auernheimer.
Der Untertitel »Über Fluchtursachen und Fluchtverursacher« verrät die Kernbotschaft, dass es politische und wirtschaftliche Akteure gibt, die für die Fluchtbewegungen der Gegenwart verantwortlich sind: die westlichen Militärmächte unter Führung der USA, auch IWF und Weltbank, generell aber unser Wirtschaftssystem und unsere Lebensweise, deren Folgen wir externalisieren.
Mit dem geopolitischen Konflikt in Afghanistan begann die nach dem Zerfall der Sowjetunion fortgeführte Destabilisierung des Nahen Ostens, woher bisher das Hauptkontingent der Geflüchteten kommt. Die Zerstörung Libyens hat mehrere Fluchtursachen geschaffen und die verständliche Migration aus Afrika verstärkt. Denn die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank und der Zugriff von Stiftungen, Agrarfonds und Agrarkonzernen auf die Landwirtschaft im globalen Süden rauben zusammen mit dem von uns ausgelösten Klimawandel vielen die Existenzgrundlage. In Mittelamerika sind es die gewaltträchtigen Interventionen der USA zur Stützung repressiver Regime, die interne Gewalt und Armut und damit massenhafte Flucht nach dem Norden zur Folge haben.
Veranstalter*innen: P.A.C.K. & PapyRossa Verlag
20:55 Uhr | Keine Polizei ist auch eine Lösung
Lesung mit Kollektiv Kieberei, was geht?! Initiative gegen Polizei auf unseren Straßen.
Die Wiener Initiative Kieberei, was geht?! stellt konkrete und machbare Schritte hin zu einer Stadt ohne Polizei vor. In ihrem Beitrag im Sammelband Stadt für Alle. Analysen und Aneignungen (erschienen im Mandelbaum Verlag) gibt die Initiative gegen Polizei auf unseren Straßen Einblick in Initiativen und Experimente, in denen Stadtbewohner*innen mit kritischen Situationen umgehen, ohne nach der Polizei zu rufen. Denn nur in einer Stadt ohne Polizei können sich wirklich alle sicher fühlen.
Veranstalter*innen: P.A.C.K. & Mandelbaum Verlag
21:30 Uhr | Lektüre und Revolte
Lesung mit Gerhard Hanloser über den Textfundus der 68er-Fundamentalopposition.
Die wichtigsten Schriften und Proklamationen der »Neuen Linken« transportierten eine radikale Unversöhnlichkeit mit dem Bestehenden und entwarfen Utopien einer anderen, herrschaftsfreien Gesellschaft.
Als 'Lesebewegung' verschlangen die 68er die Befreiungstheorien von Herbert Marcuse, Marx und Mao, Alexandra Kollontai, Wilhelm Reich und Frantz Fanon. Als Teil eines 'oppositionellen Theoriemilieus' rangen Rudi Dutschke, Hans Jürgen Krahl, Ulrike Meinhof, Reimut Reiche und Karl Heinz Roth um den richtigen begrifflichen Zugang zu Geschichte und Gegenwart der Gesellschaft, um sie radikal zu verändern. In Kommunen, mit Betriebsarbeit und »bewaffnetem Kampf« sollte dies als Fundamentalopposition bewerkstelligt werden.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Revolte von 1968 bietet das Buch eine pointierte, kritische Aufbereitung der wichtigsten Literatur der außerparlamentarischen Opposition des vergangenen Jahrhunderts.
Diskutiert werden soll auch die Frage, was von der linken Revolte bleibt angesichts einer neuen rechten »APO«, die einige der Provokationsstrategien der 68er aufgenommen zu haben scheint.
Veranstalter*innen: P.A.C.K. & Unrast Verlag
22:05 Uhr | Despoten. Demagogen. Diktatoren. Ein Bildervortrag
Lesung mit Jacques Tilly.
Ob Recep Tayyip Erdoğan, Jarosław Kaczyński, Viktor Orbбn, Donald Trump, Wladimir Putin, islamistische Terrorgruppen, fundamentalistische Christen, Front National oder AfD - weltweit und quer durch alle Weltanschauungen feiern autoritäre Staatschefs, Parteien und Gruppierungen Erfolge. Eine unbeugsame zivilgesellschaftliche Gegenstimme ist der Künstler Jacques Tilly mit seinen international beachteten Großplastiken. Bundesweit bekannt wurde er durch seine politischen Mottowagen beim Düsseldorfer Rosenmontagszug, die regelmäßig Protest und Diskussionen auslösen. Inzwischen werden seine Arbeiten weltweit wahrgenommen und kommentiert. Der Vortrag stellt in einem großen satirischen Bilderbogen die gegenwärtigen Feinde der offenen Gesellschaft bloß und gewährt Einblick in das politische Engagement des Künstlers.
Jacques Tilly, geb. 1963, lebt als Illustrator und Bildhauer in Düsseldorf. Von Amnesty International wurde er 2017 mit einem Menschenrechtspreis für Meinungsfreiheit ausgezeichnet.
Veranstalter*innen: P.A.C.K. & Alibri Verlag
22:40 Uhr | Resonanzverhältnisse
Zur Faschisierung Deutschlands - Politisches Tagebuch. Lesung mit Klaus Weber.
Reflektierend, gewitzt und wachsam spürt Klaus Weber der Faschisierung unserer Gesellschaft nach - in Alltagsszenen auf der Straße, im Café, an der Hochschule, in den Bergen, in den täglich gelesenen und gehörten Medien. Sein politisches Tagebuch ist aufrührerisch und kurzweilig mit langem Nachhall. Sind die neuen völkisch-nationalistischen Bewegungen und ihre Parteiform eine Gefahr für das, was wir »demokratische Verhältnisse« nennen? Oder bringt die bürgerliche Gesellschaft mit dem »Kapitalistischen« als Basis diese sie zerstörende Kraft erst hervor?
»Resonanzverhältnisse« ist der Versuch, aus der Flut tagtäglicher Informationen der letzten Jahre eine Tendenz »herauszulesen«. Webers These: Was wir sehen (die Gefahr einer Faschisierung Deutschlands, Europas, der USA), ist bloß die Spitze des Eisbergs.
Veranstalter*innen: P.A.C.K. & Argument Verlag
23:15 Uhr | Riot. Was war da los in Hamburg?
Lesung mit Achim Szepanski.
Die Leitmedien reduzieren bis heute die Protestaktionen gegen den G-20 Gipfel auf die Randale gewalttätiger Krawallmacher und Chaoten, und ein bestimmter Teil der Linken stimmt sich auf diesen Diskurs ein und singt ihn fröhlich mit. Riot ist gleich Gewalt, darin sind sich Rechte - und manche Linke einig.
Gewöhnlich wird der Aufstand tatsächlich im Kontext von Gewalt, Mangel und Defizit begriffen, während er jedoch in sich selbst die Erfahrung des Surplus anzeigt - Surplus-Gefahr, Surplus-Instrumente und Surplus-Affekte. Der wichtigste Surplus ist die Surplus-Bevölkerung selbst: Der Moment, an dem der Riot das polizeiliche Management der Situation sprengt und sich von der Regelhaftigkeit des alltäglichen Lebens entkoppelt. Diese Art der aufständischen Surplusproduktion bleibt immer auf die Transformationen des Kapitals bezogen. Der Riot ist folglich ein Teil der Zirkulationskämpfe der Entrechteten und Verarmten auf der ganzen Welt.
Veranstalter*innen: P.A.C.K. & Laika Verlag